*20. Juni 2007 - † 01. Juli 2008 ; mein fgp-blog hört auf
Im Sommer 2007, also vor einem Jahr habe ich mein Weblog (= ein Netztagebuch) eröffnet. Heute beende ich mit diesem 170. Beitrag mein Bloggen. Kommentare zum Blog sind nun nicht mehr möglich. Kondolenzen nehme ich gerne in meinem Gästebuch oder per E-Mail (mail@frankpohl.de) entgegen. Ich möchte mich auch recht herzlich bei allen bedanken, die mein Weblog fleißig gelesen haben. In der rechten Spalte findest du hilfreiche Tipps zum Stöbern in diesem Blog. Viel Spaß!
[English? and other languages? click on "Google - Translation" on the right side! Have fun!]
Irgendwie schien das Wort "Sabbatjahr" viele zu irritieren - es ist eine Auszeit. Manche fragten nach, ob ich in diesem Jahr ins Kloster ginge, weil es ja vielleicht etwas mit Religion zu tun hat. Hat es nicht. Ich benutze das Wort lediglich, weil es die offizielle Bezeichnung für ein freies Jahr ist, das man sich vorher beim Arbeitgeber "erarbeitet" hat.
Auf die Arbeitswelt übertragen bedeutet das Sabbatjahr, dass ein Arbeitnehmer nach beispielsweise sechs Jahren den Arbeitsplatz verlässt, um eine Auszeit zu nehmen. Nach dieser Zeit kehrt der Arbeitnehmer gut erholt und mit neuem Schwung in das Unternehmen zurück. Er kann in dieser Zeit Urlaub machen oder sich einen anderen Wunsch erfüllen, z. B. ein Praktikum machen oder an einer längeren Fortbildung teilnehmen. In der Arbeitswelt kann das Sabbatjahr in der Regel zwischen drei und zwölf Monaten dauern (weil es manchmal weniger als ein Jahr dauert, wird es häufig amerikanisch "Sabbatical" genannt).
Natürlich muss ein Sabbatjahr finanziert werden. Ansparen kann man zum Beispiel, indem man für einen vereinbarten Zeitraum nur einen Teil des Gehalts ausgezahlt bekommt, das heißt: Wer die "Siebtel"-Regelung vereinbart, verzichtet sieben Jahre lang jeden Monat auf ein Siebtel seines Einkommens (und auch auf entsprechende Pensionsansprüche). Das Arbeits- (Unterrichts-) Volumen bleibt unverändert.
Zurück zum religiösen Ursprung des Wortes. Das Sabbatjahr ist ursprünglich ein Begriff aus dem Alten Testament: Es beschreibt das siebte Jahr, in dem der Acker brachliegt, damit der Boden sich regenerieren kann. Nach dem Sabbatjahr wird wieder eine bessere Ernte erwartet.
- dass ich im Sabbatjahr auch gearbeitet habe. Endlich schaffte ich im kühlen Frühjahr 2008 abzuarbeiten, was man sich als Lehrer für den Teil in den Sommerferien vergeblich vornimmt, der auch für Lehrer "schulfrei" ist: angesammeltes Material sichten, sortieren, sogar teilweise schon Unterricht vorbereiten.
Nicht alles konnte im Weblog stehen. Aber Texte und Fotos sind vielmehr ein „Sprechanlass“, um mal mit dir über mein Sabbatjahr ins Plaudern zu kommen. :-)
Nachdem Hillary Clinton nun Weg vom Fenster ist, fällt eins auf: Barack Obama ist der Medienliebling. Würde man es nicht besser wissen, könnte man meinen, schon nächste Woche würde gewählt. So viel wird hier zur Election `08 berichtet.
Aktivisten der Demokratischen Partei sind hoch motiviert
Zum 38. Mal fand die Feier des San Francisco Pride statt und mit über 1 Mio. Menschen strömten doppelt so viele wie sonst zum Pride. Es gab 200 Parade-Einheiten, 300 Aussteller bei der Pride-Feier am Civic Center – auf der Bühne waren u.a. Cyndi Lauper und Crystal Walters.
Das Motto: United by Pride, Bound for Equality (Vereint im Pride [Stolz] – auf dem Weg zur Gleichstellung). Eigentlich hätte das Motto heißen müssen "Just married", denn hier wurde an jeder Stelle gefeiert, dass das hiesige Gericht einen Antrag zum Stopp der Homo-Heirat in Kalifornien verworfen hatte, davon war der Pride bestimmt. Aber im Herbst gibt es schon den nächsten juristischen Anlauf der Gegner einer Gleichstellung.
StadtoberhauptMayor Gavin Newsom:
Pride-Straßenfest am Civic Center:
Kurze Clips von der Parade auf der Marketstreet:
Am Rande der "CSD"-Parade: Bekehrungsversuche von "Christen":
Spontan entschied ich mich in den Film "Another Gay Sequel: Gays Gone Wild!" zu gehen. Es ist die Fort-setzung der schrillen Komödie Another gay movievon Regisseur Todd Stephens (s.o.: im Interview), die in der Art des US-College-Films American Pie den "Einstieg" von fünf Schwulen in das Homo-Leben erzählt.
Aber dann vor dem Kino die peinliche Geschichte vor Filmbeginn: mich spricht jemand an, ob wir denn alle für den Film anstünden? Ja, das ist die "rush line" (sozusagen die Last-Minute-Schlange für zurück gegebene Karten) erkläre ich und weise ihn ans lange Ende... "Wow", meint er. Allerdings stellt sich dann raus, dass es einer der Hauptdarsteller aus dem Film ist. Obwohl ich den "ersten Teil" von Another gay movie gesehen hatte, war mir nicht aufgefallen, dass es Jonathan Case ist. Neben mir versammeln sich nun nach und nach alle Schauspieler, während sich eigentlich der Boden öffnen sollte, in dem ich versinken kann.
Zum Glück war der Film genauso peinlich. Die Urlaubsstory nach Fort Lauderdale, mit Ru Paul als Moderator eines Wettbewerbs war lustig bis zur Schmerzgrenze und sehr gewagt an manchen Stellen ...
Brent Corrigan - in Teil 2 auch vertreten, sonst "adult star" ;-)
Zur Filmpremiere dabei die weiteren Schauspieler: u.a. Jonah Blechman, Michael Carbonaro, Jonathan Chase und Mitch Morris
Heute erhielt ich vom Verlag das redigierte Manuskript zu meinem Buch zurück. Ich bin froh über die Änderungen, die der Verlag vorgenommen hat. Das Erscheinen des Romans, so wie ich ihn geschrieben habe, ist nun realistisch.
Wie man am Titel sieht (s.o.), geht es um Homosexualität bei Jugendlichen.
Zum Inhalt: Als der 14-jährige Basti morgens aufstand, wusste er noch nicht, dass ein Tag im Leben so viel ändern kann. Mit seinem Freund Ferhat, den er bewundert, sind sie die coolsten Jungen in der Schule. Nach einem Streit in der Schule muss sich Basti plötzlich der Frage stellen, ob er schwul ist...
"Bist du schwul, oder was?" ist ein kurzer Roman über Freundschaft, Liebe und Homosexualität und wird im Herbst 2008 erscheinen. Dann ist das Buch in jeder Buchhandlung erhältlich sowie bestellbar über Amazon oder direkt beim Verlag an der Ruhr. Außerdem gibt es mit dem Erscheinen des Romans ergänzende Unterrichtsmaterialien in Form einer Literatur-Kartei, die auch von mir verfasst wurde.
Termin: erscheint am 31.10.2008 ( ISBN: 978-3-8346-0444-6 )
Castro ist nicht nur der Name für den Gay-District in San Francisco, die Gegend beherbergt auch das gleichnamige uralte Kino.
Diesen traditionsreichen Filmpalast wollte ich schon im Herbst 07 besuchen. Aber leider bot das Programm-kino nur uninteressante Schinken. Diese Woche fand dort jedoch das LGBT-Festival framelines statt und mit ihm ein abwechslungsreiches Filmvergnügen - von Feel-Good-Movies wie Tru Loved (Stewart Wade, USA 2008) bis zu ernster Kost wie Before I forget (Avant que j’oublie, Jacques Nolot, Frankreich 2007). Also nichts wie hin …
Die Architektur des Hauses vereint unter seiner Kuppel im mexikanischen Stil verschiedene Stilrichtungen. Der Theatersaal wirkt festlich und vor Beginn des Hauptfilmes wird ganz klassisch Orgel gespielt – „klassisch“ im Sinne von traditioneller Filmmusik. Die Original-Orgel eines alten Kinos bietet technisch-klangliche Finessen, die nicht nur für Cineasten sehr beeindruckend sind!
Orgelende vor Filmbeginn
Das Castro-Theatre stammt aus den 1920er Jahren und fiel nicht – wie bei uns – Krieg, 70er-Jahre-Stadt-planungswahn oder modernen Multiplex-Cinemas zum Opfer. Welch ein Glück! Gegründet wurde das Kino von der Familie Nasser. 1908 hatten die Brüder Nasser mit einem „Nickelodeon“ begonnen – einem kleinen Vorführraum, zu dem man mit 5 Cent (=ein „Nickel“) Eintritt bekam. 1922 bauten sie dann das heutige Filmtheater in der Castro Street.
Diese Straße gab auch dem Viertel den Namen, wenn gleich man die Gegend zu dieser Zeit auch noch „Klein-Skandinavien“ nannte (wegen der vielen Einwanderer aus Dänemark, Norwegen und Schweden). Aber „Castro“ hieß schon seit 1887 die Endstation der aus Downtown kommenden Straßenbahn und übrig geblieben ist Castro, mit dem das Viertel seit den 1960er Jahren berühmt wurde.
Das Kino selbst erlebte unterdessen einige Besitzerwechsel und übliche zeitbedingte Kino-Änderungen bis das Gebäude in den 70er Jahren unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die Orgel wurde wieder hergestellt und in 2001 übernahmen Nachfahren der Gebrüder Nasser erneut die Leitung des Kinos.
An diesem Wochenende gab es eine Hitzewelle an der Westküste der USA. Auch viele Waldbrände gibt es nun wieder in Nord-Kalifornien. San Francisco brach einen Hitzerekord mit fast 40 Grad – das ist ein höherer Wert als die höchste Juni-Temperatur mit 36 Grad in 1973.
Aber auch wohl nur in San Francisco gibt es das: am Nachmittag kam Wind auf und innerhalb von drei Stunden sank das Thermometer um über 15 Grad ab.
Blick auf San Francisco und die Bucht bis zur Golden Gate Bridge
Wenn das mal kein Jetset-Leben ist: abends um 22.30 Uhr Rückkehr aus Barcelona. Eine Nacht daheim. Und morgens schon wieder um 7 Uhr zum Flughafen, um in die USA zu fliegen …
Schön war natürlich im Anflug wieder einmal die Skyline von New York samt Freiheitsstatue zu sehen. Aber: Ein Umstieg in London-Heathrow war schon immer die Hölle, mein Umstieg in New York hatte dafür sein eigenes US-amerikanisches „Flair“:
Das riesige Kaspele-Theater namens „Terrorismus-Bekämpfung“ geht unvermindert weiter. Die Einwanderungsbehörde ist ja schon humaner geworden, nachdem zu viele Touristen von einer US-Reise abgeschreckt wurden wegen der unmöglichen Fragemethoden, wie man sie von DDR-Zöllnern kannte. Aber ansonsten: Koffer raus, Koffer rein, dann in einer Reihe 5 Mal (fünf!) die Kontrolle meiner immer gleichen Bordkarte samt Reisepass von fünf verschiedenen Personen. Alles und jeder der Aktuere ist enorm wichtig. Während die Amis sonst lari-fari sind, hier spielt jede/r das Schauspiel mit als sei er oder sie der Personenschutz von Mr. President höchstpersönlich. Ein unglaubliches Affentheater – und alle „Affen“ laufen dann auf ihren Socken durch Gegend – great!
Zum Abschluss des New-York-Stopps gab es noch den „Höhepunkt“, dass wir nach dem Boarding fast fünf Stunden in der Maschine sitzen mussten, während sie am Flughafen stehen blieb. Die gesamte Reisezeit nach Kalifornien dauerte dann letztlich genau so lange wie der Flug nach Australien …
Ein großer politischer Aufreger ist ja immer die Woche vor den Sommerferien, in denen „die Lehrer“ ihren Bildungsauftrag angeblich nicht erfüllen. Ohne sich auch nur ernsthaft mit den Realitäten auseinander-setzen zu wollen, gibt es alle Jahre wieder bildungspolitische Offensiven, die „Unterricht bin zum letzten Tag“ fordern.
Komisch ist nur, dass sich wenig Politik rührt, wo man doch am Köln-Bonner-Flughafen die Bildungs-verweigerer in Scharen begrüßen kann – und mich wundert, dass die Passkontrolle niemanden der 10 bis 15 Jährigen Jugendlichen und ihren dazu gehörigen Erwachsenen fragt: „Sagen Sie mal, haben Sie eine Bestätigung der Schulbehörde dabei, dass das Kind vom Unterricht befreit ist?“ Denn: Bei meinem Abflug war es noch über eine Woche bis zu den Sommerferien in NRW – und andere Bundesländer folgen erst später.
Während meines Fluges habe ich dann endlich auch dieses Buch angefangen zu lesen, das mir ein Freund und - wie passend zum obigen Thema – ehemaliger Mitarbeiter vom Jugendamt zum Geburtstag geschenkt hatte.
Ich muss gestehen, dass ich die ersten Seiten schon einmal angefangen und das Buch mit ein wenig Unlust wieder beiseite gelegt habe. Aber die beiden langen Flüge bis San Francisco haben nun endlich ihr Übriges zum Lesen eines Tommy-Jaud-Buches geleistet. Na ja, der ist halt der Autor vom Vollidiot - da weiß man, was man nicht zu erwarten hat. ;-) Aber die Widmung im Buch war ja nun Verpflichtung genug, das Buch in meinem „Resturlaub“ zu lesen. Danke!
Noch ein Sabbatjahr? Heute vor einem Jahr ging ich mit Sommerferienbeginn in mein Sabbatjahr. Wenn es nach mir geht, spare ich gerne noch einmal ein paar Jahre für eine neue Auszeit. Aber:
Ich hatte schon vor acht Jahren so eine Vorahnung, dass zukünftig die Chancen für eine Auszeit sinken würden. Hauptsächlich deshalb beantragte ich mein Sabbatjahr, mit dem Gedanken: „So lange es diese ungeheure Chance einer Auszeit bei Arbeitsplatz-sicherheit wie in nur wenigen Job gibt, möchte ich das auch nutzen.“ Dabei wusste ich nicht einmal, was ich in der freien Zeit unternehmen wollte.
Heute scheint genau das einzutreten, was ich seinerzeit befürchtete: der Arbeitgeber beschneidet Sabbatjahr-Zusagen, vermutlich erkennt er nicht einmal mehr die Vorteile an, die sich auch für das Schulsystem ergeben. Denn vor Kurzem gab es die politische Anweisung an die NRW-Bezirksregierungen im Interesse der Unterrichtsversorgung dafür Sorge zu tragen, dass zukünftig grundsätzlich nur noch eine Lehrkraft pro Schule und Schuljahr in die Freistellungsphase des Sabbatjahres geht. Die Tendenz heißt also: auch bei großen Schulen Null Chance. Bisher brauchte man schon Glück, dass man von seiner Schulleitung die Genehmigung bekam (nochmals Danke an Achim Körbitz!). Jetzt wird es nicht einfacher, weil der Druck vom Dienstherrn auf die Schulleitungen auch in dieser Hinsicht erhöht wird. So kann es sein, dass das Sabbatjahr nur noch auf dem Papier existiert, aber nicht mehr realisiert wird.
Ich bin gespannt, ob und wann ich das nächste Sabbatjahr beantragen kann. Den Grundstein dafür habe ich bereits gelegt, indem ich meinen Rück-zahlungsanspruch auf von mir bis jetzt abge-leistete "Vorgriffsstunden" komplett ins Schuljahr 2013/2014 legen ließ. Ein Traum wäre wenigstens ein halbes Sabbatical im Frühjahr 2014.
"Nach dem Tod ist es wie vor der Geburt. Da ist nichts, nichts vor dem wir uns fürchten müssten"
Mein Sabbatjahr war nicht nur eine Zeit für Unternehmungen, sondern auch Gelegenheit zum Nachdenken: über Gott und die Welt - und den Tod.
Ich hatte lange Jahre keine Angst vor dem Tod - und erschrak eines Tages plötzlich, als ich mir vor Augen führte, wieder in den Zustand vor meiner Geburt zurückzufallen:
„Wenn es das Nichtsein wäre, das uns am Tod schreckt, so müssten wir schon über das Nichtsein vor der Geburt erschrecken. Denn vor der Geburt liegt schon jene Unendlichkeit ohne uns, die wir als Stachel des Todes fürchten." (SCHOPENHAUER; 1788-1860) Je größer mein eigener Schrecken über die Vorstellung war nicht mehr "da" zu sein, desto intensiver war meine Suche nach Antworten. Davon möchte ich berichten.
Was ist der Tod an sich? Der Tod als das Erlöschen aller Lebensfunktionen ist ein naturgemäßes und unveränderliches Faktum. Als unser Ende wirkt er auf uns Menschen hochgradig bedrohend. Dies macht viele Wege erforderlich, mit dem Faktum des Todes umzugehen: durch Leugnen oder die Angst im Laufe unseres Lebens auf rationalen Weg zu bewältigen, sie gedanklich durch die Suche nach Antworten zu neutralisieren. Antwortmöglichkeiten bieten dafür philosophische, religiöse und medizinische Annahmen. In der griechischen Antike zum Beispiel war der Tod der ,,schöne Genius, der Bruder des Schlafs, verewigt in Monumenten über den Gräbern."
Laut dem französischer Humanisten Michel de Montaigne (1533-1592) fürchten wir aber mehr das Drumherum um den Tod als den Tod selbst: "schauderliche Trauermienen und Anstalten, eine völlig veränderte Umgebung, das Geschrei der Mütter, Frauen und Kinder, die Besuche von bestürzten und ganz außer sich geratenen Menschen, die Gegenwart einer Menge blasser und jämmerlich weinender Diener, ein Zimmer ohne Tageslicht (…) Kurz: alles um uns herum verursacht Grauen und Entsetzen. Wir sind schon so gut wie begraben und verscharrt."
Rückblick: Pubertät Als ich 15 Jahre alt war, waren für mich Sterben und Tod eine Angelegenheit alter Leute. Als Teenager tauchte der Tod morgens in Anzeigen der örtlichen Tageszeitung auf und gelegentlich kannte meine Mutter die Personen oder Familien, die dort genannt wurden: „Ach, mit der Schwester von dem und dem habe ich schon als Kind gespielt…“. Trotzdem schien der Tod eine Sache in fernen Zeiten, denn in jungem Alter holt einen der Tod nicht, jedenfalls höchst selten. Wenn man jung ist, dann befördern sich höchstens einige Altersgenossen oder deren jungen Idole von Zeit zu Zeit selbst aktiv ins Jenseits oder sie erreichen dies, indem sie ein besonders risikofreudiges Leben führen. Ich selbst war nicht risikofreudig, sondern gehörte zu der Gruppe unglücklicher Jugendlicher, die heimlich mehr als einmal mit dem Gedanken spielten, sich umzubringen. Da hatte der Tod etwas Erlösendes. Die schreckliche Zeit der Pubertät überstand ich doch wohl behalten. Zurück blickend kann ich fest stellen, dass mir in der Pubertät der Tod nur einmal wenig näher kam als meine Oma verstarb. Sie starb an Lungenkrebs. Da sie jedoch ein Leben lang wie ein Schlot gequalmt hatte, schien die erfolglose Krankenhaustherapie und der sie ereilende Tod fast wie eine logische Konsequenz ihrer vorausgegangenen täglichen Sucht.
Tod eines Freundes Nach der Pubertät, als junger Erwachsener kam ich über das Rote Kreuz zum Rettungsdienst. An hilfsbedürftigen Personen wurden fast immer erfolgreiche Rettungsmaßnahmen durchgeführt. Bei den wenigen DRK-Einsätzen, bei denen es tatsächlich um Leben und Tod ging, wurden nur wenige nicht mehr „zurück geholt“, so die damalige Ausdrucksweise. Bei den seltenen Toten, die ich sah, spielte für mich eine wichtige Rolle, dass ich sie nie als lebendige Menschen erlebt hatte. Ganz selten trafen wir sogar auf Personen in Leichenstarre, wie bei dem alten alleinstehenden Herrn, der überraschend am Küchentisch gestorben war. Als wir ihn auf den Boden legten, blieb sein Körper in der gleichen angewinkelten Haltung wie er zuvor am Tisch zusammen gesunken war. Das hatte wenig Menschliches, etwas Puppenhaftes, was nicht einmal den Funken eines Restes von Leben enthielt. So blieb mein Verhältnis zu Tod und Toten distanziert.
Zu dieser Zeit hatte ich auch keinerlei Angst vor dem Tod. Aber erschüttert wurde ich dann durch den überraschenden Suizid von Arno L. . Ich wurde emotional tief berührt. Und über einige Gedanken rätselte ich bis heute. Als ich am Tag seiner Beerdigung über den Friedhof ging und ich den frühlingshaften, sonnigen Morgen sah, war für mich unbegreiflich: Der Freund würde (wollte) dies nicht mehr erleben. Und auch die vielen Ereignisse und Veränderungen in den folgenden Jahren, die ich seit dem Tod von Arno erlebte, „verpasste“ er. Ich dachte nicht selten daran, was ich noch erleben „durfte“. In vielerlei Hinsicht hatte ich nun ein erfülltes Leben und da konnte ich nicht begreifen, dass Arno diese Chancen verpasst hatte und dies alles nicht mehr erleben konnte (wollte).
Der Tod als Herausforderung auf die Frage: Was ist lebenswert? Der Tod entfernte sich wieder aus meinem Bewusst-sein und kam lediglich mittels des gesellschaftlichen Themas Sterbehilfe zurück. Beim Thema Sterbehilfe war der Tod aber theoretisch und abstrakt in vermeintlicher Zukunft - als Abschluss des Sterbewegs und Endpunkt des Alterungsprozesses:
► Gibt es neben dem Recht auf Leben auch ein Recht auf ein (menschenwürdiges) Sterben? ► Unter welchen Bedingungen möchte ich selbst (noch) weiterleben („müssen“)? ► Wann gilt das eigene Leben für mich (noch) als lebenswert? ► Mit welchen mentalen oder körperlichen Beeinträchtigungen könnte ich mir vorstellen zu leben?
Ergebnis: Ich wollte nicht an Maschinen dahin vegetieren und auf die Würde der eigenen Persönlichkeit verzichten. Spätestens im Jahr 2035, wenn ich alt sei, aber gerade noch über mich selbst bestimmen könne, wollte ich selbst „Schluss“ machen. Lebenserhaltende Maßnahmen für mich seien nur akzeptabel: Wenn ich zukünftig schon nicht mehr produktiv sein könnte (z. B. Schreiben am PC), dann sollte es wenigstens für mich die realistische Chance eines passiven Erlebens des Meeres geben („Ich fühle, also bin ich“), was ich schon immer sehr genossen habe. Ansonsten wollte ich nur noch schmerzfrei, zumindest schmerzlindernd bis zum Eintreten des biologischen Todes medizinisch versorgt werden.
Aber ich erinnere mich auch, dass sich die Antworten auf das, was man (ich) für sich als lebenswert ansieht, entsprechend der eigenen veränderten Lebens-situation ändern. Wen man vorher noch häufiger von einem „später mal“ sprach, dann sind – je älter man wird - nicht mehr die nächsten 30 Jahre im Visier, sondern die nächsten drei oder vier; selbst in einem Lebensalter zu, in dem man davon ausgehen kann, die nächsten 40 Jahre sicher zu erleben.
Angst vor dem physischen Verschwinden- Altern Mit dem sichtbaren Altern in der Lebensmitte zeigte sich deutlich, dass die noch kommende Lebenszeit ein wahrscheinlich kürzerer Zeitraum als der bereits gelebte Abschnitt sein würde. Mir wurde auch in Reflexion mit anderen wie Sascha E. klar: Das Leben geht jetzt eben nicht mehr einfach so selbstver-ständlich weiter wie es früher weiter gegangen war. Es kam, was kommen musste und bei Männern – auch jobbedingt - umso härter trifft: die Midlife-Crises und mit ihr die resümierende Frage: Was kommt?
Zunächst war ich zwar zurück schauend für das bis dato erfüllte Leben dankbar. Aber das Altern war von nun an als absehbarer körperlicher Abbau unauf-haltsam. Und so kam - wie aus heiterem Himmel – der Gedanke, der mich gruselte: Die Vorstellung, irgendwann nicht mehr „da“ zu sein. Würde es also sein wie vor der Geburt?
Vor der Geburt war man noch nicht im Leben, hatte noch keine Silbe gesprochen, vielleicht gerade die ersten Monate im Körper der Mutter nonverbal kommuniziert, aber sicherlich nie reflektiert, nirgendwo agiert, nichts aufgebaut oder zerstört. Aber danach? Würde es sein wie in der Zeit vor der eigenen Geburt, wo es einen nicht gab? An diese Zeit konnte man sich nicht "erinnern" und doch war sie eindeutig existent. Aber nach der Geburt hatte es – anders als davor – ein eigenes Leben gegeben, in dem man sich reflektierte (Descartes’ : „Ich denke also bin ich“), sich Lebensziele setzte und versuchte, so weit möglich, seinem Sein einen Sinn zu geben.
Der Tod als Sinnstifter für den „Sinn des Lebens“ Nachdem ich Lehrer geworden war, fragte mich Schüler Thomas E. in einer der nachdenklichen Unterrichtsstunden: „Aber dann sagen Sie mal, was ist denn dann der Sinn des Lebens?“ Bei der Antwort kam ich ins Schlingern. Dabei steht die Frage an sich mit jeder Geburt im Raum. Für Atheisten scheinen neuere wissenschaftliche Forschungen vielleicht Verblüffendes zum Vorschein bringen. So gibt es die These, dass mit den Genen nicht nur körperliche Erbinformationen von Generation zu Generation weiter gegeben zu werden, sondern vielleicht sogar Informationen, die auf die Art der Lebensweise der Nachfahren Einfluss haben. So wird auf den zweiten Blick die existentielle Sinnfrage des Individuums berührt. Was bleibt dann aber von Menschen wie mir, die ihre Gene biologisch nicht weitergeben? Vielleicht lautet die Antwort, dass dieses „Problem“ durch einen wirkenden Einfluss auf seine Mitlebenden gelöst wird (z. B. durch Lehre, Erziehung, Kunst). Als „Sinngebung“ schlussfolgert der römische Dichter HORAZ (65 - 8 v. Chr.): ,,Carpe diem" - nutze den Tag. Der Mensch solle die ihm bleibende Zeit nutzen. So schreibt auch Camus im "Mythos des Sisyphos", dass der Mensch sich bemühen sollte, ein möglichst langes und ausgefülltes Leben zu führen, ungeachtet dessen Sinnlosigkeit (Absurdität).
Was kommt danach: Ist der Tod nun endgültig oder Übergang zum nächsten Leben? Historisch ist die Menschheit in Relation zu der langen Erdgeschichte nur ein Bruchteil im Universum. Trotzdem begannen bereits die Menschen in der Frühzeit sich über den Tod als sicheren finalen Punkt Gedanken zu machen und beim modernen Menschen ist in diesem Zusammenhang auch der Wunsch nach Zeitreisen entstanden (vgl. dazu: Hawking). Denn die Menschen sind sich selbst bewusst, Zeit-Wesen zu sein. Und diese Zeit wird durch den Tod begrenzt. Aber folgt etwas der eigenen Lebenszeit? Was?
SOKRATES (469-399 v. Chr.) lässt beide Grund-haltungen gleichermaßen gelten, was nach dem Tod sei. Der Tod könne nur zweierlei bedeuten: ,,Entweder ist er ein Nichts-Sein, so dass der Tote auch keine Wahrnehmung mehr von irgendeiner Sache hat, oder er ist, wie die Überlieferung sagt, ein Übergang und eine Übersiedelung der Seele von dieser Stätte an eine andere."
Religion als Trost Bereits vor 60.000 Jahren war das Wissen um unser Ende fest in der menschlichen Vorstellung verankert. So waren religiöse Gedanken eine häufige Konsequenz dieser gedanklichen Auseinandersetzung:
"Wie durchgängig in der Natur jedem Übel ein Heilmittel, oder wenigstens ein Ersatz beigegeben ist", so SCHOPENHAUER, "verhilft dieselbe Reflexion, welche die Erkenntnis des Todes herbeiführte, auch zu metaphysischen Ansichten, die darüber trösten, und deren das Tier weder bedürftig noch fähig ist."
Heutige Weltreligionen versprechen zur geistigen Befriedigung des menschlichen Selbsterhaltungstriebs eine „Unsterblichkeit“ und sprechen unterschiedlich z. B. von Wiedergeburt, Übergang ins Jenseits oder ewigem Leben im Paradies – zwar nicht im selben Körper, aber in Bezug auf unsere Seele.
Religionskritiker FREUD (1856 -1939) ist im Gegensatz zu den Religionen der Auffassung, dass alles Leben letzten Endes ein Leben zum Tode sei und dass das destruktive Material des Menschen immer auch in einem besonderen Naheverhältnis zum eigentlichen Lebenstrieb stehe. Demnach gibt es kein Leben ohne den Tod, keine Liebe ohne Hass, keine Lust ohne Schmerz. Darauf beruht auch das philosophische Prinzip des Dualismus. Es besagt, dass nichts ohne Gegensätze existiert: „Wer weiß was schmerzlos ist, muss wissen was Schmerz ist, sonst kann er schmerzlos nicht begreifen."
Ohne Winter gibt es kein Frühlingserwachen gibt, ohne Nacht keine Morgenstimmung -"symbolischer Dualismus":
(Filmausschnitt oben: „Soilent Green“ mit der Musik: "Morgenstimmung" aus Edward Griegs „Peer Gynt“, Suite Nr. 1, op. 46) .
Das Leben und der Tod bedingen einander also. Ohne den Tod wäre auch kein Leben möglich. So ist biologisch ständiges Sterben notwendig (zum Beispiel das Absterben von Zellen), um das Leben im Körper zu erhalten.
Für SOKRATES ist es auch gewiss: Der Tod habe nichts Schreckliches an sich. Egal, ob er ein Nichts-Sein, ein traumloser Schlaf, ein Ausruhen von diesem Leben und damit angenehm oder ein Übersiedeln der Seele an einen anderen Ort sei: In beiden Fällen ist der Tod für Sokrates demnach wünschenswert und gut - und gibt dem Leben einen Sinn.
Zusammenfassung: Nachdenken über das Unvorstellbare? Sucht man bei Gelehrten in verschiedenen Jahrhunderten nach Antworten so scheint ein Gruseln beim Gedanken eines Rückfalls in eine Zeit vor der Geburt unbegründet: "Nach dem Tod ist es wie vor der Geburt. Da ist nichts, nichts vor dem wir uns fürchten müssten". Dieses Zitat aus meiner Blog-Überschrift wird Mark Twain zugeschrieben und es beruhigt genauso wie EPIKURs (342 - 271 v. Chr.) Aussage, nach der die Beschäftigung mit dem eigenen Tod paradox sei:
„So lange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr." Was folgt daraus? KIERKEGAARD (1813-1855) schlug vor, dass wir uns selbst außerhalb stellen sollten um den Schmerz zu meiden, den der Tod uns bereiten würde. Das einzige, was wir gegen den Tod „tun" könnten, sei ein Leben zu führen, für das wir uns nicht vor uns selbst genieren müssen. Der Gedanke an den Tod beinhalte aber die Chance, dass er uns ermögliche die Kürze des Lebens zu erkennen und dieses weitgehend zu optimieren:
„Langwierige und ausschweifende Gedanken um den Tod sind letztlich kontraproduktiv, denn die Ungewissheit besteht in jedem Augenblick, das Ungewisssein, wann der Hieb fällt - und der Baum. Wenn er aber gefallen ist, so ist es entschieden, ob der Baum gute Frucht gebracht oder faule Frucht."