Wie meine Liebe zum Radio entstand …
Irgendwann in diesem Urlaub saß ich am Radio, das wir von zuhause mitgebracht hatten. Vielleicht regnete es an diesem Tag und wir konnten deshalb nicht angeln. Jedenfalls saß ich am Fenster in unserem heimeligen Blockhaus und kurbelte am Sendersucher des Radios herum. Und ich war sehr überrascht, ja fasziniert, als ich plötzlich in diesem fremden Land mit dieser komischen Sprache über Kurzwelle einen deutschsprachigen Sender in bester Qualität empfing. Als wäre das Ereignis gestern gewesen, so schwingt noch heute der Ton von damals in meinem Ohr, wie ABBA erst „Honey Honey“ singen und dann eine Stimme sagt: „Hier ist das deutschsprachige Pro-gramm von Radio Schweden.“ Ich war beeindruckt, dass die Radiotechnik uns in unserem einsamen norwegischen Holzhaus den Kontakt zum Rest Welt herstellte. Man muss vielleicht dazu sagen, dass dieses "Schlüsselerlebnis" in einer Zeit passierte, in der Satellitenfernsehen Zukunftsmusik war (TV hatten wir in diesem Ferienhaus sowieso nicht), Handys zu Science Fiction gehörten wie Scotty und Kirk zu Raumschiff Enterprise und niemand an mögliche Kommunikation via Internet dachte.
Post: Deutschsprachige Programme auf Kurzwelle
Ich erfuhr, dass Kurzwellen - von der Erdatmosphäre reflektiert - einmal um den ganzen Erdball gehen können und dadurch für Menschen auf der anderen Seite des Planeten dann wieder hörbare Signale entstehen. Oder dass entfernte Sender über Mittel-welle erst in der Dunkelheit zu empfangen sind, die man bei Sonnenlicht nicht hören kann. Nicht selten quälte ich mich in der dunklen Jahreszeit durch quietschende, pfeifende und schwankende Töne im Radio, um wieder einen neuen Sender zu entdecken. Im Laufe der Zeit sammelte ich einige Sender, deren deutsches Programm ich verfolgte – und wenn es wie Radio Peking ganz weit entfernt war, war ich be-geistert. Und Radio hatte auch dunkle Geheimnisse: Ich hörte ich die gesprochenen Geheimdienst-Ansagen: „sieben neun drei fünf zwei…“ usw., die damals tatsächlich verschlüsselte Botschaften für Spione im Feindesland waren (erinnert sich jemand von euch noch daran, dass es das einmal wirklich gab?). Radio fand ich darum spannend.
Ferienfreizeit auf Sylt - "Der erste Kuss": Ich gehe davon aus, dass dieses Foto für einige Weblog-Leser interessanter ist. ;-)Das war aber bisher nur der halbe Weg zum dies-jährigen Radiopraktikum ...
Dazu trug noch ein weiterer Urlaub trug bei. Als ich auf meiner ersten Ferienfreizeit in Keitum / Sylt an Lungen-entzündung erkrankte, musste ich auf die Kranken-station. Um mich nicht zu langweilen, konnte ich mir in der Hausbibliothek Bücher entleihen. Dort entdeckte ich ein Buch, das die Geschichte erzählte, wie Jugend-liche einen Piratensender gründeten. Ich verschlang den heiteren Jugendroman und dabei entstand wohl die Idee, selbst einmal „Radio“ machen zu wollen. Und der Roman faszinierte mich besonders deshalb, weil er realistisch schien: Denn ich wusste, dass es in der Wirklichkeit Piratensender gab. Vor der holländischen Küste hatte ein erfolgreicher Sender namens Veronica gesendet– außerhalb niederländischer Hoheits-gewässer.
2007: Sendeanlagen für die Kurzwelle bei Junglinster / Luxemburg
Und mit Radio Luxemburg gab es auch ein deutsch-sprachiges Radio, das so etwas wie ein Piratensender war. Mit Sendeanlagen auf Luxemburger Staatsgebiet umging RTL mit seinen „vier fröhlichen Wellen“ deutsche Gesetze, die zu dieser Zeit Privat- und Werbefunk verboten. Wie viele andere Jugendliche schaltete ich den öffentlich-rechtlichen Biederfunk ab und lieber RTL ein. Bei uns zuhause gab es sogar ein Radiogerät mit „Radio Luxemburg“-Taste und so hörte ich alle Größen, die heute zu den Klassikern des deutschen Radios gerechnet werden. Nicht selten verfolgte ich auch im Anschluss an das deutsche Programm ab 19 Uhr das internationale Programm, wodurch sich eine Brieffreundschaft zwischen mir und einem Mädchen in Norwegen sowie einem Jungen in Südkorea ergab.
Auch später, als ich „keine Zeit“ mehr hatte, um zu Hause am Radio zu spielen, hörte mein Interesse an Rundfunk nicht auf. Beschränkend fand ich als NRW-Bürger dabei, dass Radiohörer im zentral gelegenen Ruhrgebiet über Jahrzehnte auf den UKW-Frequenzen in einem Tal der Ahnungslosen saßen – man konnte fast nur WDR-Sender empfangen (abgesehen von BFBS). Begeistert war ich dann Anfang der 80er Jahre, dass die günstige Lage unseres Wohnhauses gerade noch den Empfang von einem Sender wie Radio BENELUX ermöglichte. Erst ein Jahrzehnt später wurde in Nordrhein-Westfalen Privatfunk erlaubt. Vom Format der streng reglementierten „NRW-Lokalradios“ war ich allerdings wenig begeistert. Dafür vergrößerte sich zu gleicher Zeit wenigstens die Sendervielfalt durch Kabelanschluss.
So weit zum Ursprung, wie meine Liebe zum Radio und zu Kommunikationstechnik entstand. Heute, über weitere zehn Jahre später scheint dank digitaler Technik und Internet die Vielfältigkeit von Radio grenzenlos.
Und noch konkret zurück zu mir im Jahr 2007: Nachdem ich einigen von euch davon erzählt hatte, dass ich im Sabbatjahr einen Kindheitstraum ver-wirklichen wolle und ein Radiopraktikum bei der Mutter des deutschen Privatradios machen würde, dachten manche, ich würde beruflich umsteigen: „Willst du dich beruflich verändern?“ Aber dieser Gedanke ist in sofern abwegig, weil ich in grauer Vorzeit, als die Familie in jenem phantastischen Sommerurlaub in Norwegen war, schon längst einen anderen Berufs-wunsch hatte: nämlich Lehrer zu werden. Aber das ist eine andere Geschichte.
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Im Archiv gestöbert:
Nachdem ich während der Recherche zu diesem Beitrag viel Radionostalgie entdeckt habe, fand ich auch eigene Audiokassetten aus der Kindheit, die O-Töne aus dem Radio enthielten.
Nachrichten-Jingles RTL:
RTL ist Radio Luxemburg:
RTL International (ca. 1979):
RTL International (2. Ausschnitt):
Radio BENELUX:
Didi: Interview eines Stargasts:
HubaHuba:
"Huba huba" wär’ wahrscheinlich heute ein Klingelton, oder?